Goon


Vor einiger Zeit musste das goon-magazin seinen Betrieb einstellen. Schuld haben die üblichen Übel. Geld und mangelnde Zeit. Hiermit möchte ich den Macherinnen danken, dass sie damals ein paar Sachen von mir in ihr Mag aufgenommen haben. Im Folgenden stelle ich drei Texte parat, die mal bei goon zu finden waren.

Viel Spaß beim Lesen.

Roland

The Maniac inside Me

Jim Nisbets Tödliche Injektion (Black Lizard, 1989) gehört zu den eindruckvollsten Noirs der letzten drei Jahrzehnte. Jetzt hat der Berliner Pulp Master Verlag nach all den Jahren wieder einen Nisbet herausgegeben. Das ist kein Zufall, denn Black Lizard und Pulp Master sind beides Unternehmen vom Berliner Verleger Frank Nowatzki. Aber ich will hier nicht über Verlagsgeschichte schwadronieren, sondern über Nisbets neuen Wurf. Die Hauptfigur in Dunkler Gefährte (Pulp Master) heißt Banerjhee Rolf. BJ, wie seine Frau und sein Nachbar den indisch stämmigen Biochemiker nennen, ist wegen einer feindlichen Übernahme seines Unternehmens in den vorzeitigen Ruhestand gedrängt worden. Kalifornien, seine Frau, das abbezahlte Haus, die Gartenarbeit und sein großes Hobby, die Astrophysik, halten BJs Leben so gut es geht in der Wage. Die Beschreibung des gemächlichen Lebens im Vorruhestand nimmt ein gutes Drittel des Buches ein. Achtzig Seiten, in denen genau genommen nichts passiert. Trotzdem liest sich das gut. Man lernt dort ein wenig über Supernova, Chaostheorie, Quantenmechanik, den Krebsnebel, gute Weine, das amerikanische Medicaresystem und die Wuchsgeschwindigkeit einiger Bambusarten. Dann fährt BJs Frau ihren gemeinsamen Sohn in Chicago besuchen, und BJ ist allein. Am gleichen Abend findet er sich auf dem Sofa seines Nachbars Toby Pride wieder und trinkt professionell gemixte Martinis. Pride und dessen Freundin Esme springen die folgenden vierzig Seiten zugedröhnt und nackt vor BJ herum, während im Fernseher ein lokaler Piratensender Amerikas Apokalypse fordert, und Pride, der sich als Drogendealer/Polizist entpuppt, dazu eigenwillige Theorien über 9/11, das Fernsehen und die staatliche Lotterie abliefert. Irgendwann erscheinen drei Bundespolizisten in dieser grotesken Szenerie, und innerhalb kürzester Zeit liegen fünf Leichen und fünfundvierzigtausend Dollar in bar zu BJs Füßen. BJ flieht und bringt auf den letzten etwa vierzig Seiten des Buches das Geld unter die Leute. Der Herausgeber Frank Nowatzki bietet in seinem Vorwort an Dunkler Gefährte als Synekdoche zu lesen. Warum nicht. Auf jeden Fall ist das Buch auf absurde Weise ein guter, sprachlich feiner Roman mit einer Noirkurzgeschichte als Ausgang. Könnte man auch als Parabel verdauen.

Ellroy

Mit Blut will fließen (Ullstein) hat James Ellroy nach vierzehn Jahren seine Trilogie Underworld USA abgeschlossen. Wie Teil I Ein amerikanischer Thriller und Teil II Ein amerikanischer Alptraum (beide Ullstein) ist auch Teil III für den Leser eine transponiert, präskriptive Herausforderung. Alle drei Bücher behandeln die Kehrseite der jüngeren amerikanischen Geschichte. Angefangen beim Aufstieg der Kennedys, mitsamt deren Einzug ins Weiße Haus und den berühmten Attentaten auf John F. Kennedy und Robert Kennedy, bis hin zum Mordanschlag auf Martin Luther King, J. Edgar Hoovers Herzversagen und am Ende bis zur Watergate Affäre Richard Nixons beschreibt Ellroy staccativ, detailliert geschichtsversessen den Verlust von Moral eines Amerikas, das von Gewalt, Intrigen, Verleumdung, Korruption und Kriegen getragen wird. In Ellroys Trilogie führen rund um die beiden Großmanipulatoren der damaligen Zeit, John Edgar Hoover und Howard Hughes, abwegige FBI Agenten, durchgeknallte Mafiosi, größenwahnsinnige Rassisten und, wie immer bei Ellroy, das völlig verlogene LAPD persönliche Feldzüge in den Vereinigten Staaten und den nah gelegenen karibischen Ländern. Blut will fließen schaut hinter die einschneidigen Geschehnisse Amerikas zwischen 1968 – 1972. Es sind die wilden Jahre der Antikriegsbewegung und des Black Power Movements. Amerikas Machtträger und auch die allgemeine Öffentlichkeit müssen sich ihrem gelebten Hochmut stellen, der von der Bevölkerung immer mehr als parasitär empfunden wird. DIE Grundvoraussetzung für eine Rebellion. Hoover sieht eine rote Flut über seine Heimat hereinstürzen und empfindet das Black Power Movement als persönlichen Angriff auf seine Behörde. Während der FBI Chef alle Mittel zulässt die „Kommunisten“ und das Movement zu stoppen, kauft Howard Hughes halb Las Vegas auf und versucht in der Dominikanischen Republik einen kleinen Bruder des Kubas Fulgenico Batistas zu zeugen. In L.A. unterwandern FBI und LAPD Beamte das Black Power Movement und verdrehen dessen Ideologie in ein terroristisch motiviertes Kauderwelsch. Eine linksextreme Gruppe verübt einen Überfall auf einen Geldtransporter und kommt mit mehreren Millionen Dollar und einem Haufen Smaragden davon. Ihr Kampf ist somit finanziert. Aber auch in ihren Reihen gibt es Überläufer und Informanten, die ein persönliches Doppelspiel mit den Behörden betreiben. Privatdetektive und korrupte Polizisten decken Verbindungen auf zwischen anfangs einfachen Schmuddelgeschichten bis hin zu breit angelegter Geldwäsche im politischen Kampf aller Lager. Sie wittern den großen Reibach und jagen den gestohlenen Smaragden nach. Und wie bei Ellroy zu erwarten, wird alles durchzogen von einem Passat Cherchez la femme…Am Ende kämpfen alle Beteiligten in der Geschichte nur noch ums nackte Überleben. Sie verlieren die klare Sicht auf welcher Seite sie nun stehen, töten, um selbst davonzukommen, denunzieren, um nicht ausgeliefert zu werden und lügen, um der Wahrheit einen Gefallen zu tun. Blut will fließen ist ein groß angelegtes Werk, wie schon die gesamte Trilogie. Manisch geschrieben, verwirrend. Leider verfällt Ellroy zum Schluß dem amerikanischen Ritual alles akribisch auflösen zu müssen. Schizophren, mathematisch.

Johnson

Keine Bewegung! (Rowohlt) war ursprünglich als Serienroman für den amerikanischen Playboy verfasst worden. Der Autor: Denis Johnson. Sein letzter Roman Tree of Smoke wurde 2007 mit dem American Book Award ausgezeichnet. Johnson hat mit Keine Bewegung!, für ihn sehr untypisch, einen Genreroman geschrieben, den man in Thriller, Pop, Pulp oder eine ähnliche Kategorie stopfen kann. Seine Elemente sind archetypisch: Ein säumiger Spieler trifft eine unbekannte Schöne, die an der Flasche hängt, vom Exmann verlassen und abgezogen wurde und diesen nun in einem Rachefeldzug um 2,3 Millionen Dollar erleichtern möchte. Das perfekte Gangsterpaar. Natürlich geht alles schief, was schief gehen kann. Der Spieler schießt einem skrupellosen Geldeintreiber ins Bein und lässt ihn in der Prärie zurück. Der überlebt allerdings und wird von einer attraktiven Sanitäterin fit gepflegt. Auf Krückstock und mit großkalibriger Waffe in der anderen Hand macht der Geldeintreiber schließlich zusammen mit seinem Gangsterboss und dessen Hilfssheriff Jagd auf unsere zigaretten- und spielsüchtige Hauptfigur. Es fließt einiges Blut in dem Buch. Es werden die Eier eines Mannes verspeist. Es wird gevögelt, gezockt, verhandelt und verladen. Die Trinkerin erschießt ihren Exmann. Ein Richter wird mit seiner eigenen Scheiße verprügelt (das geht). Und zu all ihren chaotischen Handlungen quatschen die Figuren gerne über Autos, Waffen, Sex und Fastfood. Die Dialoge tragen, wie man von Johnson gewohnt ist, eigene kleine Geschichten in sich, so als stammten sie aus einer anderen Erzählung. Sie bürsten dem Plot gegen den Strich und bringen subtil Humor in die Sache. Keine Bewegung! geht so zügig runter wie Maibowle bei einem Treffen der Anonymen Alkoholiker

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The Parasitic Ward
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