Journalismus hat (selbstverständlich auch hier) Verschleierung der Wahrheit zum Ziel, mittels Verbreitung von eklektisch zusammengezimmerten Urteilen oder, ganz einfach, durch albernes Geschwätz. Oder beides, albernes Geschwätz und Urteil, welches vielleicht die populärste Variante unserer Zeit ist. Das geht so: Man nehme eine Handvoll Wahrheitsfragmente, werfe sie zusammen, rühre ein bißchen darin herum und gebe das als Ganzes und Wahrheit aus. Ein albernes Geschwätz ist geschaffen. Das Interesse daran scheint nicht abzureißen, sonst liefe (A-)Social Media nicht so gut wie zur Zeit. Die Verhältnismäßigkeit seiner (also der des Geschwätzes) Mittel läßt sich wunderbar nachvollziehen in dem Talk SpiegelMining – Reverse Engineering von Spiegel-Online – Wer denkt, Vorratsdatenspeicherungen und „Big Data“ sind harmlos, der kriegt hier eine Demo an Spiegel-Online. Noch besser nachvollziehbar ist die Verhältnismäßigkeit von Geschwurbel und Geschwätz auf der Webseite des Referenten, was weiterführende Fragen aufwirft. Zum Beispiel wo und wie können Zensurinstrumente angesetzt werden? Wie weit unsere Selbstzensur oder die Bestimmung des öffentlichen Netzraumes durch private Plattformen (google entfernt ca. 1 Millionen Links pro Tag; personalisierte Upload-Filter etc.) fortgeschritten ist, zeigt der Talk Privatisierung der Rechtsdurchsetzung – Was der Anti-Terror-Kampf von der Urheberrechtsdurchsetzung lernen kann. Am schlimmsten aber manifestiert sich das Phänomen der Verschleierung im Fernsehen, in dem und indem jede Wahrheit unter berufsmäßigem Geschwätz weggeschwemmt wird. Nachdem vom Schwatzhaften abgesehen wird und anstelle dessen Lügen, Härte, Hass usw. vorgebracht werden, erkennt der Zuschauer/die Zuschauerin das Leben in dem gebotenen Spektakel, das ihm/ihr täglich in vertrauter Form als fortwährender Kriegszustand dargeboten wird. Daran schmiegt sich das Netz in idealer Weise an. Facebook, Twitter, Instagram, Kommentarspalten, Blogs etc. bieten die Möglichkeit der direkten Interaktion. Virtuelles Judo, Cyber und Krypto Wars, digitale Gewalt, Hate Speech, Bratwurst Wars…eine Liste ohne Ausgang. Der Verlust von intentionaler Kontrolle als Volkssport. Für Menschen, die sich für den Wettbewerb begeistern, mag das was haben. Handlungscharakter hat es nicht. Dem Informationsfluss dient es auch nicht. Und schon gar nicht dem Zusammenleben. Wer in diese Thematik ein wenig tiefer einsteigen möchte, dem sei Die Sprache der Populisten – Wie politische „Gewissheiten“ sprachlich konstruiert werden ans Herz gelegt. Insbesondere der Frage und Antwort Teil am Ende des Vortrags lohnt sich. Es bleibt zu hoffen, dass jedem, der sein spektakuläres Wissen an die Öffentlichkeit bringt oder ins Netz stellt, schreibt oder schreit, stets bewusst bleibt, Wissen ist kein Instrument zur Überzeugung. So gab es wohl mal vor dem 1. Weltkrieg im Deutschen Kaiserreich den Ansatz, dass Krieg Ängstlichkeit heilen könne. In diesem bestimmten Fall die häufig belächelte German Angst. Das erwähnt der Referent (selbstverständlich ein Amerikaner) in The Fight for Encryption in 2016 – Crypto fight in the Wake of Apple v. FBI. Er ist Anwalt bei der EFF (Electronic Frontier Foundation) und hält ein klein wenig, unter Hinweis auf den All Writs Act, die Fahne der Optimisten hoch, um autokratisch feuchten Träumen wie der Burr-Feinstein-Bill die Stirn zu bieten. Auf juristische Grabenkämpfe, wie sie die EFF seit Jahrzehnten ausfechtet mit, wie es so schön heißt, Gott und der Welt, müssen wir uns in Zukunft wahrscheinlich verstärkt einrichten. Hierzulande gibt es daher, seit einem guten Jahr, die GFF (Gesellschaft für Freiheitsrechte), womit klar wird, dass mit dem Ärgsten zu rechnen sein wird. Ebenfalls optimistisch amerikanisch und zugleich wunderbar esoterisch ging der Vortragende in Community – Social Life & Life in the early 21st century ans Werk. Ein pilgernder Nerd aus San Francisco stellt darin seinen Weg vom Aufbau und der Verbreitung von Hackerspaces weltweit vor. Der neue Markt ist auch hier, wen wundert’s, China. Dem Mann schwebt ein ewiger Kongress im Sinne; was soll’s, im Amerikanischen klingt das einfach schöner, Oh Lord, my dear brothers and sisters, let’s have an eternal congress! Om. Ein wenig betrübter wirken zwei Universitätsangestellte aus Michigan in ihrem Talk vom Recount 2016: An Uninvited Security Audit of the U.S. Presidential Election. Darin gehen sie den Absurditäten der letzten U.S.-Wahlen nach und kommen zu dem Schluss, nachdem der Tee aus dem Harem des Archimedes heraus ist, dass die Wahl nicht „gehackt“ wurde. Wie leicht das aber in den Vereinigten Staaten von Amerika in die Tat umzusetzen wäre mit 187.000 Wahlkreisen, 13.000 Jurisdiktionen und 52 unterschiedlichen Wahlcomputern (ja, da sind sie wieder), kann sich jeder an vier Fingern ausrechnen. Aber bevor wir von hier aus mit dem fünften Finger der Hand über den transatlantischen Teich zeigen, wäre es nicht verkehrt, erst einmal ein Auge auf das eine oder andere Wahllokal (sagen wir einfach mal aus der Lamäng heraus) in Niederbayern zu werfen…
Oh ja, der Skeptiker könnte zu der Auffassung gelangen, von überall her brächten schwarze Wolken düstere Ideen mit sich. Eine äußerst Beunruhigende präsentiert ein junger Mann in On Smart Cities, Smart Energy, And Dumb Security. Es geht um intelligente Infrastruktur gepaart mit einem pfiffigen Netz, in diesem Fall Strom-, GSM- und Internetz. Ist allerdings ebenso anwendbar für Erdgas, Fernwärme und Wasser. Ihr Herzstück ist der Smart Meter, ein intelligenter Stromzähler. Unterm Strich sind die Dinger gefährlicher Schrott, der uns allen früher oder später von der Regierung ins Haus gezwungen wird. In Schweden sind sie bereits Pflicht. Die EU will in der Sache ganz vorn mitspielen und so alte Bekannte wie die Firma Tepco natürlich auch. Im Moment sprechen wir von ca. 100 Millionen aktiven Smart Metern. Ein Smart Meter steuert alle Elektrogeräte im Haus, wird von einem (offenbar löchrigen) Protokoll namens ZigBee kontrolliert und ist wirklich einfach zu warten, denn alle Smart Meter waren zum Zeitpunkt des Vortrags mit nur einem Schlüssel (code) zu öffnen. Kleiner Nebeneffekt, die Teile gehen gerne mal in Flammen auf. So erhält das volkstümliche Wort des Aufbrennens* ganz neue Tiefe.
Aber es gibt auch gute Ideen in den schwarzen Wolken. Auf den ersten Blick zumindest. Zum Beispiel wie man für lau reisen, besser gesagt, fliegen kann. In Where in the World Is Carmen Sandiego? – Becoming a secret travel agent könnte der Interessierte erlernen, wie man sich schnell noch am Flughafen mit einem Smartphone (Kamera) die Bonusmeilen anderer Reisender aufs eigene Flugkonto rüberschaufelt (im Übrigen lassen sich auf diesem Wege alle relevanten Daten der Mitreisenden einsehen). Und der technisch etwas versiertere Interessierte könnte sich mit ein bisschen Brute-Forcing das Reisen gleich komplett veredeln. Die Kosten fallen dabei ins Bodenlose. Unser lang eingerittenes Global Distribution System (GDS) macht es möglich, weil sich seit den 70er Jahren darin so gut wie nichts verändert hat. So zum Beispiel auch, dass global gerade mal drei Zugriffssysteme existieren, die alle mit nur minimalen Sicherheitsvorkehrungen versehen sind. Und wer hätte es gedacht, die unsicherste Methode der Buchung ist das liebe Online-Booking. Der Skeptiker weiß natürlich, das alles ist nur Schall und Rauch. Reisen bzw. Bewegung gibt es gar nicht; wir befinden uns entweder an Ort A oder B. Oder an irgendeinem Ort dazwischen, wenn man so will intermittierend.
P.S. Dass die Zukunft nicht gleich vegan aber weitgehend vegetarisch sein wird, müsste jedem klar geworden sein, der sich in den letzten zwanzig Jahren nicht Augen, Ohren und Mund zugehalten hat. Den Stand der Dinge gibt es in Saving the World with (Vegan) Science
P.P.S. Äußerst betrüblich und wirklich ganz finster wird es in dem Talk Liberté, Égalité, Fraternité… and privacy ?! Seit Jahren hören wir nichts Gutes aus unserem Nachbarland, im Besonderen was die Freiheitsrechte angeht. Wie immer unter Terrorvorwand. Doch dieses Jahr konnten einem beinahe die Tränen in die Augen schießen, wenn man unseren Freunden aus Frankreich zuhört. Als letzte Freude bleibt, überhaupt noch etwas sagen zu dürfen. Quel bordel!
* Aufbrennen = Eine eigene Immobilie niederbrennen und dann mithilfe der fälligen Versicherungssumme wieder neu aufbauen.